Warum?

Das Lesen von Texten und die damit verbundene Aufnahme von Informationen ist im Alltag und Beruf selbstverständlich. Privat lesen wir Behördenpost und Nachrichten von KollegInnen, informieren uns beim Lesen einer Bedienungsanleitung, wie das neue Handy funktioniert oder schauen, welche Inhaltsstoffe ein Lebensmittelprodukt enthält, wenn wir zum Beispiel keine Laktose vertragen. 

Auch im Berufsleben spielen das Lesen und Verstehen verschiedener Texte eine große Rolle. Dabei ist es hilfreich, Textbaupläne zu kennen, denn Texte sind keine zufällige Aneinanderreihung von Sätzen, sondern werden je nach Textsorte nach einem festen Muster gebaut. Eine Preisliste hat eine andere Struktur als eine Produktbeschreibung, eine Bedienungsanleitung eine andere als ein Arbeitsvertrag.


Daher ist es wichtig, sich gemeinsam zu Beginn folgende Fragen zu stellen: 

  • Welche Texte müssen im beruflichen Alltag der Auszubildenden mit welcher Funktion gelesen werden? 

  • Welche Strategien helfen, Informationen schnell zu entnehmen, ohne jedes Wort zu übersetzen?

Denn auch in einem Lehrbuchtext an der Berufsschule muss nicht jedes Wort verstanden, sondern die dazugehörige Aufgabenstellung den Leseprozess strukturieren. Es ist sinnvoll, gemeinsam zu überlegen, in welchen Situationen eine schnelle Übersetzung mithilfe digital gestützter Programme sinnvoll und wo eine intensivere Beschäftigung mit Textdetails notwendig ist. 

Wie funktioniert die Informationsaufnahme aus Texten?

Das Lesen funktioniert in der Fremdsprache ähnlich wie in der Erstsprache der Lernenden. Es ist also wichtig, Lernende zu ermutigen, wie in der Erstsprache beim Lesen fremdsprachiger Texte alle ihnen bereits bekannten Strategien zu nutzen, um die Informationen eines Textes zu entschlüsseln, ohne jedes Wort übersetzen zu müssen. Hierfür ist es hilfreich zuerst alles an Vorwissen zu aktivieren, um den Text zu entschlüsseln. Dazu gehört nach kurzem Blick auf den Text, also BEVOR mit dem Lesen der einzelnen Sätze begonnen wird:  


Eine beliebte Übung, um die Angst vor einem langen Text in der unbekannten Sprache zu nehmen, ist es, alle bekannten (und NICHT unbekannten) Wörter zu markieren. Hier helfen oft auch Wörter, die in vielen Sprachen gleich sind (sogenannte Internationalismen wie Computer), denn junge Menschen verfügen neben der Erstsprache meist über Sprachkenntnisse in weiteren Sprachen, z.B. Englisch, Italienisch, auch wenn diese nicht systematisch gelernt wurden. Aber auch Symbole, Zeichen oder Icons, die gerade in der Fachsprache häufig vorkommen, sind teilweise bereits bekannt.

Um die Struktur eines Textes zu erkennen, ist es hilfreich, diesen in Abschnitte zu „schneiden“ und dann erst einmal gemeinsam zu überlegen, wie das Puzzle wieder zusammengefügt werden muss und an welchen sprachlichen Mitteln man z.B. eine Einleitung oder einen Schluss erkennt. 

BEIM Lesen des Textes entscheidet die Leseabsicht, also das Ziel, warum ich den Text lese, darüber, ob ich, z.B. bei einem Rezept  

a) den Text nur überfliege (kursorisch lesen), um zu verstehen, was für ein Gericht es ist, 

b) selektiv nach einzelnen Informationen im Text suchen (z.B. auf wieviel Grad der Ofen erhitzt werden soll) ODER 

c) detailliert lesen, d.h. versuchen, soviel wie möglich aus dem Text zu entnehmen (beispielsweise die Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Kochvorgang).  


©Canva

Es ist hilfreich, alle 3 Lesestile an EINER Textsorte auszuprobieren, um deutlich zu machen, wie sich der Leseprozess jeweils unterscheidet (z.B. in der Zeit, die ich benötige oder ob ich (digitale) Übersetzungsmöglichkeiten nutzen muss). Suchen Sie gemeinsam nach Beispielen aus dem Berufsalltag des Mentees, in dem eine der dargestellten Stile ausreichend ist. 

Häufig werden zum Sicherstellen des Verständnisses einzelner Abschnitte Fragen gestellt, die von den Lernenden in Form von richtig-falsch-Antworten oder multiple-Choice-Antworten schnell beantwortet werden sollen. Hier ist es hilfreich im Text zu markieren, an welcher Stelle man die richtige Antwort auf die Frage erhalten hat.

Lange Texte können auch in den Zeilen nummeriert werden, um das schnelle Auffinden zu erleichtern. Häufig wird auch mit den sogenannten W-Fragen gearbeitet, um zentrale Informationen zu ordnen: Wer? Was? Wann? Wo? Wie? Warum?  

 


©Canva

NACH dem Lesen schließen sich meist weiterführende sprachliche Handlungen an das Lesen eines Texte an. Das kann die Aufgabe sein, einen Text zusammenzufassen, also nur die wichtigen Informationen zu nutzen und unwichtige zu streichen. Es kann sein, dass ein Detail einem Kollegen/einer Kollegin genauer erklärt werden soll oder, dass Informationen aus einem Text in eine andere grafische Form zu bringen sind, z.B. Informationen aus dem Text in einer Tabelle zuzuordnen oder sich zu den dargestellten Inhalten mündlich zu äußern (z.B. sagen, warum man zustimmt oder nicht) oder weiterführende Informationen zum Text recherchieren, z.B. wenn Informationen fehlen. 

Wie sollte man das Leseverstehen didaktisch begleiten?

In der Fremdsprachendidaktik spricht man allgemein von einem didaktischen 3-Schritt, um Leseprozesse durch Aufgaben vor-während und nach dem Lesen zu strukturieren:


Zusammenfassend kann gesagt werden, dass jede Art visueller Verstehenshilfen (Bilder, Fotos, Filme) den Verstehensprozess von Fachtexten erleichtern. Es lohnt sich also zu prüfen, ob es zum Inhalt eines Textes, vielleicht anderes visualisiertes Material gibt und ob komplexe Sätze und schwierige Wörter (Komposita) in Einfache Sprache umgeschrieben werden können.

Das Aufeinanderbeziehen von Informationen aus einem Fließtext und eines zum Text gehörigen Bildes oder Diagrammes muss jedoch getrennt trainiert werden, da es sich um unterschiedliche Textsorten handelt und die Informationen anders präsentiert werden.

Praxisbeispiele

Legende

Übung

Hinweis

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Durch W-Fragen (Was, Wann, Wer, Wo, usw.) können Sie mit den Auszubildenden den zentralen Inhalt des Textes herausarbeiten. Somit lenken Sie ihre Aufmerksamkeit auf die Hauptinformationen. Es ist wichtig, den Text erstmal zu lesen und die wichtigen Begriffe sowie Textstellen zu markieren. Dann können Sie die W-Fragen für die Lernenden erstellen. Anschließend erschließen Sie mit den Lernenden die Hauptinformationen des Textes, indem diese die W-Fragen beantworten

Es ist empfehlenswert, den Wortschatz vor dieser Übung zu trainieren, wie es im Praxisbeispiel „Bearbeitung von Wortschatz“ dargestellt wird. So können Sie auch Synonyme bei der Erstellung der Fragen verwenden.

Beispiel:

Eine Alternative oder Ergänzung für die erste Übung ist diese Aufgabenform. Durch von Ihnen erstellte richtig-falsch-Aussagen, können die Auszubildenden wesentliche Informationen eines Textes herausarbeiten und erkennen. Das Konzept ist simpel: aus dem zu bearbeitenden Text, entnehmen Sie wichtige Sätze und formulieren sie um, indem einige Aussagen verfälscht werden. Die Auszubildenden sollen dann markieren, was richtig oder falsch ist und danach die falschen Informationen korrigieren. Das folgende Beispiel mit dem Text aus der ersten Übung stellt dar, wie Sie die Aufgabenform umsetzen können.

Beispiel:

Falls Sie die Übung digital vorbereiten möchten, gehen Sie zu unserer Padlet-Seite. Wir erklären, wie Sie sich bei der App Lernschnack registrieren können und welchen Schritten Sie für die Erstellung dieser Übung folgen müssen.

Bei dieser Übung sollen die fehlenden Teile eines Satzes oder eines Textes ergänzt werden. Buchstaben, Silben, Wörter oder komplette Wortfolgen werden von Ihnen aus einem Text herausgenommen und die Aufgabe der Auszubildenden ist, diese je nach Kontext im Text an der richtigen Stelle wieder einzufügen.

Es ist empfehlenswert, den Wortschatz vor dieser Übung zu trainieren, wie es in den Praxisbeispielen „Bearbeitung von Wortschatz“ dargestellt wird.

Beispieltext:

Lückentext