Von Träumen, Heimat und dem Stoff, aus dem Filme gemacht sind
In der Neugasse sitzen heute Nachmittag 13 sehr unterschiedliche Menschen am Tisch bei Baklava und schwarzem Tee: Zwei Jugendliche aus Afghanistan, die hier in der Wohngruppe leben. Zwei Männer, einer ehemaliger Bewohner, auch aus Afghanistan, und jetzt Student, der andere aus Syrien, der hier als Sozialpädagoge arbeitet. Dazu ein Regisseur, eine PR-Expertin, zwei Gründungsmitglieder des Vereins plus fünf weitere Mitarbeitende aus verschiedenen Bereichen der Kindersprachbrücke.
Lars Jessen – der Regisseur – kommt eigentlich aus Kiel, gedreht hat er um die 100 Krimis, Serien, Fernsehfilme und Dokus. Bekannt wurde er durch Kinofilme wie „Fraktus“ oder „Mittagsstunde“. Gemeinsam mit PR-Expertin Susanne Margraf vom Pandora Filmverleih ist er mit dem Filmteam auf Kino-Sommertour für „Micha denkt groß“ – das neueste Projekt des Erfolgsautoren- und Regieteams Lars Jessen, Jan Georg Schütte und Charly Hübner. Der Film vereint Umwelt-Engagement mit viel Sinn für Humor und spielt in Sachsen-Anhalt. 21 Stationen hat die Filmtour insgesamt; es geht quer durch die Republik von Hamburg nach Dresden, von Kiel nach München und vor Jena stand heute auch Gera auf dem Programm. Aus logistischen Gründen sind sie heute nur zu zweit in Jena.
Aber darum soll es gar nicht gehen. Das Thema ist "Träume verwirklichen" und die dahinter liegende Frage, wie man seine Träume, seine Vision findet und was es dafür braucht. Bereits im Hauseingang erzählt Matthias Menge als Einrichtungsleitung über die Heimat, die hier für die Jugendlichen geschaffen wurde. Lars Jessen fragt nach Träumen der jungen Bewohner – Automechaniker und Fachinformatiker sind konkrete Wünsche, die genannt werden, aber erstmal die Schule schaffen. Dann gemeinsam in der Wohnküche bauen Kathleen Lützkendorf und Wolfgang Volkmer die „Brücke“ zur Gründungsgeschichte des Vereins und dem Wunsch bzw. der Vision „das System“ zu verändern. Für zugewanderte Kinder und Jugendliche neben der Unterstützung beim Sprache erlernen eine echte Willkommenskultur in der Stadt und darüber hinaus zu schaffen.
Akbar Ebrahimi, als ehemaliger Bewohner der Neugasse, erzählt von seinem Weg, vom Schreiben seines Buches „Das Leuchten am Horizont“ und wie er damit mehr Wissen und auch Verständnis für geflüchtete Menschen schaffen will, damit die Deutschen verstehen, was es heißt, als Geflüchteter hier anzukommen. Er geht seinen Weg, das ist spürbar. In ein paar Jahren will er sein Jura-Staatsexamen schaffen, und betont, wie wichtig es ist, die Möglichkeiten, die sich bieten zu nutzen, weil sie so ganz anders sind als das Leben in seiner afghanischen Heimat. Er ergänzt, dass ihm immer wieder Menschen vor allem in der KSB geholfen haben. Mit der Sprache, Behörden, einem Zuhause in der Wohngruppe, damit er sein Abitur machen kann.
Katrin Lipowski schließt sich an, spricht von den Schulen, die die Kolleg:innen im Sozialpädagogischen Teamteaching unterstützen („Wie Fack Ju Göthe nur ohne das Lustige“). Das soziale Herkunft weiterhin die Bildungschancen bestimmt, wird jeden Tag deutlich. Vor welche Herausforderungen das die Lehrkräfte, Sozialpädagog:innen und Schüler:innen stellt. Und dass sie versuchen, Kinder und Jugendliche dabei zu unterstützen, erst einmal Bock auf Zukunft zu entwickeln, an sich zu glauben, Träume zu wagen. Julia Schnabel schließt sich an und berichtet von ukrainischen Kindern, die in den Kursen Raum für ihre Sprache und kulturelle Identität bekommen. Eine „Heimat“ in der Fremde.
Lars Jessen zitiert Belle Hooks „What we cannot imagine cannot come into being” (Was wir uns nicht vorstellen können, kann auch nicht entstehen), spricht vom „Scheitern als Chance“ und davon, dass er mehr Geschichten vom Gelingen erzählen will. „Heimatfilme“, die das Miteinander zeigen, denn nur vom „Gespalten-sein“ zu sprechen, würde genau das auch zur Wirklichkeit werden lassen.
Beim gemeinsamen Foto schwingt Bedauern mit, dass sie bereits zum nächsten Termin müssen.